Ein Kiez ohne Durchmischung und organisch gewachsene Strukturen ist ein Kiez ohne Herz, ohne Leben.

1. Ich und das Haus: Wer bin ich? Seit wann wohne ich im Haus? Warum finde ich es gut, hier zu wohnen? Was ist mein Platz im Kiez? Warum sind wir eine gute und erhaltenswerte Gemeinschaft?

Wir sind Nina und Sarah und leben bereits seit 1999 bzw. 2007 in der Warschauer 25. Wir arbeiten im kulturellen und sozialen Bereich, haben Arbeitsstellen in der Nähe. Sarah ist seit vielen Jahren in der lokalen Hausprojektszene aktiv, engagiert sich politisch, hat unzählige Soli-Partys, Straßenfeste und Aktionen in und um Friedrichshain mit auf die Beine gestellt. Nina hat jahrelang ehrenamtlich in einem Nachtcafé für Obdachlose und Bedürftige im Nordkiez ausgeholfen. Sie ist Teil der Berliner Musikszene, organisiert örtliche Musikveranstaltungen mit, beispielsweise das Down by the River Festival am Ostkreuz.

Beide sind wir sehr dankbar, einen alten Vertrag aus den späten 1990ern zu haben, sodass unsere Miete noch sozialverträglich ist. Mit unseren niedrigen Einkommen wäre unser Stand auf dem heutigen Berliner Mietmarkt sehr schwer, wenn nicht gar aussichtslos.

Wir wohnen gerne in unserem Kiez, haben auch viele Kontakte in der Umgebung. Klar, Lärm und Dreck der Warschauer Straße können enorm nerven. Aber es wird nie langweilig! Wer aus dem Fenster auf die Kreuzung Warschauer/Kopernikus schaut, braucht keinen Fernseher. Wir schätzen auch die entspannte Nachbarschaft. Die Leute im Haus sind tolerant und offen. Leben und leben lassen. Die vereinte Frustration über die Hausverwaltung hat die Bewohner*innen zudem zusammenrücken lassen. Man hilft einander.

Wir mögen eigentlich auch unser Haus und den Hof mit seiner „Friedhofsmauer“ und den Bäumen sehr! Die Ofenheizung hat uns nie gestört. Mit der teils winterlichen Kälte in Bad und Küche haben wir uns arrangiert Wir brauchen keinen Luxus! Leider ist alles mit der Zeit immer verwahrloster und ungepflegter geworden. Als wir einzogen, hatte das Gebäude noch Altberliner Charme. Mittlerweile wirkt es mit seinen Graffiti-übersäten Hausflurwänden sehr verkommen. Die Einrichtungen sind nicht mehr nur alt, sondern geradezu gefährlich. Gerne würden wir mit der Unterstützung eines neuen Eigentümers diesen Ort wieder behutsam herrichten und wohnlich gestalten!



2. Das Haus und ich: Welche unschönen oder auch schönen Sachen hat mir der bisherige Eigentümer beschert? Erzählt eine Geschichte über Hausverwaltung, Wohnungs- oder Hauszustand.

Bis auf einige wenige Mitarbeitende haben wir mit dem aktuellen Eigentümer bzw. der Hausverwaltung ZBVV leider keine positiven Erfahrungen gemacht. Man merkt, dass diese es darauf anlegen, das Objekt möglichst stressfrei (für sie!) zu entmieten. Sie hoffen darauf, dass die Leute nach und nach von selber ausziehen. Leerstehende Wohnungen werden unbewohnbar gemacht. Ein leeres Sanierungsobjekt lässt sich schließlich besser verkaufen. Die zurückgehenden Einkünfte versucht man offenbar auf anderem Weg auszugleichen – über steigende Gewerbemieten oder Betriebskosten für teils kaum nötige Leistungen wie Gartenpflege oder Winterdienst.

Wenn man etwas bei der Hausverwaltung erreichen möchte, braucht man einen langen Atem und muss möglichst mit rechtlichen Schritten drohen. Namen und Kontakte von Ansprechpartner*innen werden bevorzugt gar nicht mehr kommuniziert (Zitat: „aus Datenschutzgründen“). Man kann sich mit seinen Anliegen mittlerweile nur noch an eine zentrale Telefonnummer und allgemeine Mailadressen wenden. Reaktionen kommen selten. Instandhaltungsmaßnahmen oder Reparaturen werden nur im akuten Notfall durchgeführt und dann möglichst kostengünstig und eher provisorisch. Als beispielsweise im April 2024 ein Frischwasserrohr im Keller brach, haben wir Fotos des an mehreren Stellen durchgerosteten Rohrstranges an die ZBVV geschickt, mit dem Hinweis, dass ein weiterer Bruch lediglich eine Frage der Zeit sei. Natürlich wurde trotzdem nur das gebrochene Stück ersetzt.

Gleichzeitig merkt man, dass die Kommunikation innerhalb der Hausverwaltung nicht funktioniert. Mails scheinen nicht weitergeleitet oder ignoriert zu werden. Als es zum Jahreswechsel 2021/22 einen verheerenden Abwasserrohrbruch unter unserer Wohnung gab und unser Teil des Gebäudes zwei Wochen lang seine Badezimmer nicht benutzen konnte, wurde uns schriftlich eine Mietminderung für den Zeitraum zugebilligt. Als wir diese wahrnahmen, folgten eine Zahlungserinnerung, dann eine Mahnung wegen Mietrückstandes. Es gelang uns schließlich, das Missverständnis auszuräumen. Dachten wir zumindest! Zwei Jahre später wurde uns der Betrag erneut als Mietschulden angelastet. Die linke Hand weiß nicht was die rechte tut. Oder will es nicht wissen.

3. Wir und die Stadt: Warum finde ich, dass Berlin ausgerechnet unser Haus kaufen soll? Was ist der Mehrwert für Bezirk und Stadt?

Die Stadt sollte dieses Haus kaufen, weil sich auch in Friedrichshain die Gentrifizierungsspirale immer weiterdreht, die Verdrängung munter voranschreitet. Nach dem (Party-)Tourismus hat sich mit dem „Amazon Tower“ und dem umliegenden Quartier inzwischen auch eine glitzernde, durchkommerzialisierte Geschäftswelt auf der Nachbarschaft breitgemacht, die den sozialen Druck weiter erhöht. Häuser wie die Warschauer 25/Kopernikus 6, in der noch Menschen mit moderatem Geldbeutel Platz finden und teils schon seit Jahrzehnten gemeinsam unter einem Dach leben, sind ein wichtiger Gegenpol zu Lofts, Ferienwohnungen und Townhouses. Ein Kiez ohne Durchmischung und organisch gewachsene Strukturen ist ein Kiez ohne Herz, ohne Leben.

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So haben wir über die Jahre rund 80 Menschen aus dem Kiez kennengelernt.