War25 – Chroniken eines Häuserherzens an der Warschauer Straße.

Es begann in einer dieser Nächte, in denen Berlin sich noch wie Berlin anfühlte – roh, lärmend, voller Glitzerstaub aus vergangenen Exzessen. Die Bar 25 schloss gerade ihre sagenumwobenen Pforten, das Kater Holzig wuchs wie ein Phönix aus dem Club-Aschehaufen, und ich kam – mit einem Herzen voller Neugier und einem Rucksack voller Geschichten, die noch geschrieben werden wollten - 2010 an der Warschauer Straße 25 an.

Das Haus mit dem Eckbalkon.
Majestätisch schäbig stand es da, das Gemäuer mit Charakter, das bei jeder Bewegung knarzte wie ein alter Kapitän, der schon zu viele Stürme gesehen hat. Graffiti küssten seine Fassade wie Liebesbriefe in Farbe, und aus den rissigen Wänden sprach der Widerstand gegen alles, was nach Ordnung roch.

Wir nannten es liebevoll "War25" – nicht nur, weil es die Adresse war, sondern weil es ein Kriegsschauplatz der schönsten Art war: Ein ewiger Kampf zwischen Improvisation und Verfall, zwischen Rebellion und Zusammenhalt.

Der Flur roch nach Kohle, Katze und Kreativität. Die Klingel hing wie ein Kunstprojekt schief im Treppenhaus, das Klo – halbe Treppe. Die Küche hatte zwei Zustände: eiskalt oder kochend, je nachdem, wie man den Hauptwasserhahn behandelte.

Aber drinnen – drinnen war Magie.
Montags wurde aus Spülmittel Musik, wenn unsere Band The Mouse Folk zwischen Rattengequieke und Verstärkerrauschen probte. Bier gab es aus dem Späti im Erdgeschoss – unser kollektives Wohnzimmer, unsere Therapiestunde, unser Ort der Wahrheit um 3 Uhr morgens. Niemand beschwerte sich je über den Lärm. Es war ein unausgesprochenes Abkommen: Heute bist du laut, morgen bin ich dran.

Das Haus atmete wie wir. Es lebte, liebte, litt. Wir wurden älter, und es wurde mit uns alt. Die Mängel, einst charmante Herausforderungen an unseren Einfallsreichtum, wurden zu schleichenden Bedrohungen. Was einst mit einem tropfenden Boiler begann, endete mit dem einstürzenden Bad unter uns.

Die Sicherungskästen funkelten romantischer als jede Diskokugel – wenn auch etwas lebensgefährlicher. Die Ratten wurden nicht nur mehr, sie wurden frecher. Manche hatten vermutlich schon Namen.

Wir schrieben Mails, verfassten Briefe, hinterließen Nachrichten auf Anrufbeantwortern, die vermutlich nie jemand abhörte. Persönliche Besuche im Büro der Hausverwaltung endeten in Gesprächen mit Topfpflanzen und Faxgeräten aus der Kreidezeit.

Und so war es immer, in diesem anarchischen Wunderwerk von Haus:
Der Putz fiel, aber nie die Stimmung. Der Ofen bröckelte, aber unsere Herzen blieben warm. Die Rohre platzten, aber nie unsere Gemeinschaft. Und wenn draußen die Stadt sich wandelte, polierte, verdrängte – dann blieb War 25 ein letzter Bastion des echten Berlins.

Jetzt, wo der Staub dicker ist und der Schimmel historisch, wo das Haus vielleicht bald endgültig seine letzten Backsteine verliert – bleibt eines:
Die Geschichten, die zwischen seinen Wänden geboren wurden, die Lieder, die durch die morschen Dielen drangen, die Freundschaften, die im Späti bei Bier Nummer 7 besiegelt wurden.

War 25 war kein Haus. Es war ein Zustand. Ein Gefühl. Eine Hymne auf das Unperfekte.
Und vielleicht, wenn man ganz leise ist, hört man es nachts noch von dem einsturzgefährdeten Eckbalkon wispern:„Ich hab euch alle aufgenommen, ihr wilden, wunderbaren Gestrandeten. Und ihr habt mich am Leben gehalten.“

 

Es ist schwer geworden nicht zu resignieren, aber wir wollen es versuchen.

Next
Next

Spätibesitzer, Nachbar, Zuhörer, Freund.